Allgemein, Für den Kopf

The cold swedish winter – an ending lovestory (3)

There is nothing to writing. All you do is sit down at a typewriter and bleed.
― Ernest Hemingway

 

Nur einen Koffer!!“ und ein kleiner soll es sein – Was für eine Herausforderung für mich. Wenn ich ehrlich bin, hatte ich keine Ahnung was ich hier tat, aber ich handelte nun unüberlegt, aus purem Stress.

Vor der Abreise schwankte mein Freund zwischen seinen Emotionen und wusste wohl selbst nicht was er bevorzugte: Seine Frau an seiner Seite oder lieber kopfüber in eine manische Episode stürzen, voller Party und ohne jegliche Moralinstanz im Gepäck. Dementsprechend verwirrend waren auch seine sprunghaft-wechselnden Argumentationen pro oder gegen mein Mitkommen. Schlussendlich ergriff ich die Initiative und entschied einfach für uns beide. Bereits kurz danach saß ich im Bus.

Was ich in meiner Überforderung des Momentes nicht bedachte war, dass ich ihm und seinen Launen auf solch einer Tour noch unausweichlicher ausgeliefert sein würde, als in der Heimat. Dort hatte ich zumindest noch Rückzugsmöglichkeiten und ein soziales Umfeld zum Schutz und als Sicherheit. Hier befand ich mich nun alleine unter nordisch-kühlen Schweden (mit einer Ausnahme des netten Drummers) und das auf engstem Raum. Im Nachhinein kann ich mit Sicherheit behaupten, noch nie so herablassend und kaltherzig behandelt worden zu sein, wie es mir in diesen Wochen zu Teil wurde.

Man muss sich das nur einmal vorstellen: Die Bandmitglieder, wie auch mein Freund, sprachen die gesamte Zeit hindurch nicht ein Wort Englisch mit mir. Durchweg kommunizierten sie in Schwedisch und schlossen mich auf diese Art kategorisch aus. Von Entscheidungen über Unternehmungen des Tages, Restaurants, die Location des Konzertes oder andere wichtige Dinge, erfuhr ich somit erst, wenn wir mit dem Auto parkten und alle am jeweiligen Zielort ausstiegen. Ich folgte ihnen wortlos.

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Nun bin ich ein äußerst sozialer Mensch und kann mit solcher Ausgrenzung nicht umgehen. Nach anfänglichen Versuchen der Integration und Annäherung, verkümmerte ich im Verlauf regelrecht. Obendrauf kam noch der gleichgültige Umgang meines Freundes mit mir. In seiner nun ganz offensichtlich ausgeprägten Manie ersetzte seine aufgewühlte, unkontrollierte und grenzenlose Energie alles andere. Seine innere Realität überlagerte alles außerhalb. Ich stand seinem ungezügelten Spaß im Weg. Anzeichen einer klassischen manischen Episode ist nämlich eine übermäßige Beschäftigung mit ausschließlich angenehmen Aktivitäten. Die Bedürfnisse anderer interessierten ihn nun nicht mehr, egal ob er die Menschen seines Umfeldes nur ignorierte oder sie sogar aktiv verletzte. Er glaube durchaus sich normal zu verhalten, aber das tat er nicht.

Wenn man versuchte, ihm eine andere Sicht der Wirklichkeit nahe zu bringen, scheiterte man gnadenlos. Versuchte man ihn zu beruhigen, drehte er gerade auf. Betroffene erläuterten solche Gefühlszustände damit, dass eine äußere Welt, die mit ihnen nicht mithalten könne, die Stimmung zu verderben versucht oder sogar Steine in den Weg legen will, nichts als ihre Verachtung erntet. Sie identifizieren sich so sehr mit ihrer eigenen inneren Welt, dass alles was draußen passiert weggewischt wird. Was diese „öde, langweilige“ Außenwelt nun von ihnen denkt, ist nicht von Interesse. Weder Verhaltensnormen noch die Erwartungen anderer spielen noch eine Rolle. Es ist eine nervöse, tyrannische Energie die sie antreibt, gleich einem inneren Feuer, das sie förmlich verzehrt.

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Er behandelte mich, entsprechend seiner verzerrten Wahrnehmung in diesen Wochen, wie den sprichwörtlichen Klotz am Bein. Der Schmerz, den diese Behandlung hinterließ, ging tief und die beklemmende Erinnerung daran bleibt wohl noch lange Zeit in mir wach. Das Einzige was mich emotional durchhalten ließ, war der Kontakt zu meiner besten Freundin Chulia über Whatsapp. Ohne sie wäre ich eingegangen. Die Städte, die ich zu sehen bekam waren auch eine kleine Aufmunterung. Dafür bin ich der Band sehr dankbar.
Und auch mit meinem Freund gab es wenige schöne Momente. Aber nach dem langen Leiden, umgab sie eine generelle Schwermut und nahm ihnen so jegliche Leichtigkeit. Zudem war Nichts von ihm in der wenigen Zuwendung, die ich bekam, keinerlei Liebe in seinem Blick. Zum Glück war Chulia emotional mit mir. Nichtsdestotrotz bekam ich immer öfter Nervenzusammenbrüche, konnte mich einfach nicht mehr zusammen halten. Ausgeschlossen von Allen, verschmäht vom Partner – das war nach nunmehr 3 Wochen einfach zu viel zu verkraften.

So war es wohl unumgänglich: Eines Tages bekam ich einen Zusammenbruch in der Öffentlichkeit, beim gemeinsamen Dinner am Tisch inmitten eines belebten Restaurants. Er nahm sofort meine Hand als er es mitbekam, stützte mich und führte mich hinaus. Er sagte mir im ruhigen Gedankenaustausch: „Du bist aber auch selber schuld. Zieh Dich doch nicht so zurück. Bringe Dich mehr ein. Dein Charakter und dein Humor ist doch, was alle Menschen immer an Dir lieben – zeige diese Eigenschaften mehr!“ Ein Zugeständnis seiner(Teil-)Schuld an der Situation kam natürlich nicht, so wie auch schon all die Monate nicht. Voller Verzweiflung schluchzend in seinen Armen liegend, versprach er öfter auf Englisch zu antworten, wenn die Anderen Schwedisch sprachen, um sie auf ihr rücksichtsloses Verhalten aufmerksam zu machen. Bei diesem Versprechen und dem kurzweiligen verständnisvollen Moment seinerseits blieb es dann aber auch.

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Die Situation spitzte sich zu. Ich wurde immer labiler. Als Folge zog ich mich zunehmend in mich selbst zurück und erkundete, statt mich der unerträglichen Ablehnung auszusetzen, zumeist alleine die Umgebung rund um die Veranstaltungsorte der Konzerte. Die Tour fuhr vorwiegend entlang der Küsten und so war das Meer oft zu Fuß zu erreichen. Also beschäftigte ich mich damit Muscheln zu sammeln als Souvenirs dieser raren schönen und doch so schrecklich einsamen Momente. Manchmal saß ich auch einfach im Sand und verlor mich in Lethargie beim Blick auf die endlosen Wellen. Nur am Strand zu sitzen gibt mir bis zum heutigen Tag eine unvergleichbare Ruhe und Zufriedenheit. Ich denke nur Menschen, die an diesen Orten ähnlich fühlen, wissen um die spezielle Romantik, die die See einem bietet.

Because there´s nothing more beautiful than the way the ocean refuses to stop kissing the shoreline, no matter how many times it´s sent away.

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Das Meer war nun mein Halt – die aufgelesenen Muscheln standen für die See. Ich entwickelte einen regelrechten Sammelzwang. Solch eine Beschäftigung kann manch einem ein Ausweg aus einer psychischen Notlage offenbaren, die sich dann als Ablenkung verselbständigt. Die ständige Suche nach verschiedensten Muscheln drückte für mich die Sehnsucht nach greifbaren Dingen aus, die die Funktion eines Schutzschildes gegen die täglichen Enttäuschungen hatten. Und für mich  funktionierte es, auch wenn dieses absurde Verhalten für Außenstehende sicherlich schwer nachvollziehbar sein dürfte.

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Mein Partner wurde immer unangemessener, aggressiver und abweisender in seinem Verhalten. Als er dann einfach mit dem Auto verschwand für Stunden, ohne ein Wort, mich alleine in dem Venue in einer fremden Stadt zurück lies, reichte es mir. Grad war er noch hinter mir, sagte er will mit essen kommen und schlich sich dann heimlich weg ohne ein Wort. Es war der sprichwörtliche Tropfen, der das Fass zum überlaufen brachte. Was denn so schwer sei, einfach mal mit mir zu reden, fragte ich  und warum er mich allgemein so mies behandeln muss. Keine Antworten, nur ein grimmiger Gesichtsausdruck.

Du verhältst dich als wolltest du Schluss Machen!?“ Weiterhin kein Wort von ihm. Er starrte nur geradeaus. Ich wiederholte mich leise mit nun zittriger Stimme: „Willst du die Beziehung beenden??“ Nachdem ich noch weitere Male fragte, sagte er irgendwann leise: „Vielleicht.“, stand auf und verließ das Auto. Ich blieb geschockt zurück.
Als die Band begann das Auto zu beladen, stand er an der offenen Tür des Vans und warf mir Bruchstücke von absurden Vorwürfen entgegen. Er sagte es sei eh Alles meine Schuld, mit mir könne man nicht reden, ich sei generell ein schrecklicher Mensch. Ein weiteres Mal zerrüttete er mein Selbstwertgefühl mit untragbaren Anschuldigungen, schlug mir ab dann ausschließlich Kälte bis hin zu Hass in Worten, Gesten, Blicken und seinen Handlungen entgegen.

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Dementsprechend fragte er mich auch entnervt beim Schlafplatz des Tages angekommen und vor allen Anwesenden, ob er bei mir die Nacht verbringen soll. Ich sagte ja. Was sollte ich auch sagen? Er schniefte unzufrieden, platzierte sich ohne ein weiteres Wort so weit weg von mir wie es ging, drehte mir den Rücken zu und schlief ein. Wie eine unüberwindbare Mauer ragten seine Schultern neben mir empor. Die Ungewissheit wie es um die Beziehung stand, seine ständige Kommunikationsverweigerung, die Herabwürdigung und Schikanen mir gegenüber, zusammen mit der Isolation durch die Gruppe, konnte ich einfach nicht mehr aushalten. Um mich abzusichern erkundigte ich mich heimlich auf Facebook, ob mich Jemand in Barcelona für ein paar Tage aufnehmen könne. Die liebe Jule erklärte sich zum Glück dazu bereit und sogar eine Notfallunterkunft hatte ich.

Den Morgen darauf behandelte er mich bei einem Gruppenausflug mit allen zunächst freundlich, wenn auch nicht liebevoll, um mich dann vor der gesamten Band offen zu schikanieren. In diesem Moment beschloss ich das Alles nicht mehr mit zu machen. Am Abend, bat ich ihn zu einem persönlichen Gespräch und eröffnete ihm, dass ich die Chance hätte in Barcelona unter zu kommen. Auf diese Art könne ich etwas Ruhe bekommen und er könne die restliche Fahrt in Gesellschaft seiner Freunde genießen. Statt erfreut einzuwilligen erwiderte er kühl, es wäre gut die Anderen bei der Entscheidung einzubeziehen. Ich holte sie dazu und erklärte ihnen die Situation.
Sie alle teilten ihre unterschiedlichen Meinungen über den Tourabbruch mit. Sie stellten aber auch klar, dass der Ausschluss nicht an mir gelegen habe oder böswillig war, sondern sie einfach vergessen, Englisch zu reden. Erst kürzlich erlebten sie das gleiche Problem mit ihrem zukünftigen (englischsprachigen) Drummer. Ich glaubte ihnen. Rücksichtsvoll war ihr Verhalten trotzdem nicht. Schlussendlich verließen sie den Raum. Wieder alleine mit meinem Freund, sagte er ohne ein Ausdruck im Gesicht: „Also wenn Du eh hier bleibst, passt mir das ganz gut – dann mache ich auch gleich Schluss mit Dir!“ Diese Worte ausgesprochen, stand er unverzüglich auf und verließ den Raum.

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Nach einigen Sekunden Stille, die sich anfühlten wie Ewigkeiten, folgte ich ihm zitternd zum Auto, wo er wortlos meine Koffer und mein Skateboard raus stellte. Mein Herz stach fürchterlich.
Ich hatte irgendwo auf dem Weg kleine Pflanzenabsenker mitgenommen. Während der gesamten Fahrt standen sie neben mir im Becherhalter und gaben mir ein klein wenig Geborgenheitsgefühl von Zuhause. Auch diesen stellten sie auf die Pflastersteine neben das Auto. Er sagte ihnen, er könne jetzt nicht fahren und setzte sich nach hinten. In dem Moment bevor sich die Autotür endgültig schloss, sah es aus als wären Tränen in seinen Augen, Betroffenheit in seinem Gesicht, aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen. Sie fuhren los.

Dort stand ich nun. Nach all den Monaten voller Entbehrungen und seelischer Qual, in denen ich mich aufgeopferte hatte für sein Wohlbefinden, befand ich mich nun als Dank alleine in einem fremden Land mit meinem kleinen Koffer neben mir, meinem Skateboard unter dem Arm und meiner Pflanze vor meinen Füßen.
Ich versuchte zu verstehen, was gerade passiert war, aber es überforderte mich. Infolgedessen brach ich einfach nur zusammen. 2 nette junge Spanier erklärten sich bereit, mich in die Stadt zu fahren. Mit letzter Kraft, zerschmetterten Träumen und dem Gesicht voller Tränen arrangierte ich ein Treffen mit dem netten Mädel, die mich so spontan bei sich aufnahm. Die gesamte Fahrt in die Stadt weinte ich bitterlich. Irgendwann wimmerte ich nur noch. Das Gefühl in diesem Moment war der schlimmste Schmerz den ich jeh im Leben erfuhr. Meine Fahrer taten mir unendlich leid, denn die Hilflosigkeit stand ihnen ins Gesicht geschrieben.

Barcelona behandelte mich gut. Die meiste Zeit war ich alleine auf meinem Skateboard unterwegs und fühlte mich etwas verloren, aber auch frei. Ich saß am Strand und beobachtete Surfer oder lauschte den großartigen Straßenmusikanten während die Sonne hinter ihnen unter ging.

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Immer nachts brach der angestaute Schmerz aus mir heraus. 2 Tage vergingen, da schrieb er mir und fragte in einem lockeren Ton wie es mir denn so geht. Ich war sprachlos. Er verhielt sich als wäre nichts geschehen. Ich sagte ihm, es gehe mir natürlich schrecklich, so wie es einem nun mal geht nach einer Trennung. Er erwiderte, ihm gehe es großartig, er hätte unglaublich viel Spaß im Moment. Jeden Abend würde er sich bei den Konzerten in ein Fuchskostüm kleiden und in der Menge rumspringen wie ein Irrer. Auch gesungen habe er. Ach, und er hätte doch gar nicht Schluss gemacht. Da ich ihn aber immer falsch verstehen würde, möchte er jetzt wirklich die Beziehung beenden. Was bitte? Ich fiel sofort in ein Loch, sagte alle Vorhaben für den nächsten Tag ab und skatete schlussendlich wie im Wahn 8 Stunden quer durch die Stadt. Ich endete wieder am Strand.

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Kurze Zeit später war ich wieder in Berlin. Und auch die Tour der Band endete bald hier. Sie wollten ein paar Tage bleiben und dann zurück nach Schweden. Der ursprüngliche Plan beinhaltete, dass ich zusammen mit der Band und meinem Freund nach Schweden fahre und meine Mum 2 Tage später mit dem Flugzeug nach kommt. Weihnachten stand vor der Tür und mein Geschenk für sie war ein Ausflug nach Schweden zur Insel Gotland in eine kleine Pension. So war es geplant, da es ihr zu diesem Zeitpunkt nicht gut ging und ihr die Ablenkung besser getan hätte, als jedes materielle Geschenk.

Ich hatte alle seine Sachen gepackt, alles arrangiert, dass ich ihn nicht mehr sehen muss, falls er sie aus der Wohnung abholt. Und doch traf mich spontan mit meinem Schweden als er zurück in Berlin war. Außerhalb der Wohnung, denn ich wollte mit Bedacht und möglichst viel Abstand an das Gespräch gehen. Wir sprachen darüber wie wir eventuell die Beziehung retten könnten, unter welchen Bedingungen sie funktionieren könnte. Er eröffnete mir ruhig, er habe Panik bekommen – Panik vor der Zukunft, vor Weihnachten mit mir, meiner Mum in Verbindung mit seiner verschrobenen Familie. Panik mich als seine Zukünftige vor zu stellen, wenn er sich selbst nicht sicher ist was er will. Panik vor Allem.

Warum ich mich diesem Gespräch stellte, warum ich nach all dem überhaupt noch überlegte, ihn zurück zu nehmen? Eine verdammt gute Frage! Aber auch Friedrich Nietzsche sagte schon: Was aus Liebe getan wird, geschieht immer jenseits von Gut und Böse. Mir war es zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich ausreichend zu reflektieren, was in mir vor ging. Ich war verblendet und überfordert.

The most painful thing is losing yourself in the process of loving someone too much, and forgetting that you are special too.
― Ernest Hemingway, Men Without Women

Trotz all der Gespräche eröffnete er mir trocken, dass er, unabhängig von unseren Plänen und Träumereien, nach Schweden fahren würde und das ohne mich. Ich konnte und wollte es wohl nicht glauben. Er war durchweg sehr kühl und gefasst bei den Gesprächen, zeigte keinerlei Emotionen. Ein paar Tage verstrichen und ich ließ ihn wieder in die Wohnung. Ein- oder zweimal brach er während Gesprächen zusammen und wir kauerten uns wieder zusammen, hielten uns so fest es ging, wie wir es früher immer taten.
Und dann eines Nachts dann bemerkte ich, wie seine Arme von mir löste, er vorsichtig über mich hinweg kroch und aus der Wohnung schlich. Ich begann sofort bitterlich zu weinen. Blieb aber regungslos liegen, sagte kein Wort. Er war weg.

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Und wie will man das nun wieder gut machen? Er hatte nicht nur ein weiteres Mal mein Herz gebrochen, er hatte auch zugleich unser aller Weihnachtspläne zerstört. Ich ruf Mum unter Tränen an und beichtete ihr, die Weihnachtsüberraschung würde ins Wasser fallen. Meine gesamten Ersparnisse hatte ich für die Flüge und Pläne ausgegeben. Ich hatte nun keine Geschenke, auch kein Geld für Neue. Sie bat mich trotzdem zu ihr kommen. Nicht nur Weihnachten war die emotionale Hölle, auch mein Geburtstag am 25.12. war elend. Ich stürzte in eine tief depressive Phase.

Er schrieb einige Tage nach meinem Geburtstag. Ich war nun endlich auch mal wütend. Er sagte, er wüsste nicht, was ich jetzt von ihm erwarten würde. „Dass du her kommst, Sachen gut machst verdammt!! Zeig doch wenigstens ein einziges Mal, dass es dir wirklich leid tut, denn mit einem einfachen Sorry ist es diesmal nicht getan.“ Daraufhin antwortete er, dass er das er nicht gut machen will, dass er uns nicht mehr will. Ich sagte: „Ok, ich verstehe“. Darauf er: „Nein du verstehst es nicht, ich verstehe es ja selber nicht!“

Kein Kontakt. Ich fühlte mich elend und die Gedanken kreisten in meinem Kopf: Hätten wir es nicht doch aushalten müssen? Wie wird es ihm dort ergehen? Hoffentlich passiert dort nichts Schlimmes! Was hätten wir sonst noch tun können? War ich Schuld? – Komplette Aufopferung. Ich versuchte mich emotional loszureißen, aber zu den Sorgen um ihn, gesellte sich auch noch der Herzschmerz. Ich litt, ging kaum raus, aß schlecht. Er war doch jetzt schon so lange mein Lebensmittelpunkt. Nun war ich alleine mit mir. Es fühlte sich an, als hätte man einen Teil von mir gewaltsam heraus gerissen und mit genommen. Ich fühlte mich unvollkommen. Leer.

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Irgendwann nach vielen Wochen kontaktierte er mich wieder. Er war währenddessen bei seiner Schwester unter gekommen, hatte fast 10 Kilo abgenommen und litt wie ein Hund, ebenso wie ich. Eine meine besten Freundinnen sagte: „Vielleicht bist du einfach noch nicht bereit ihn gehen zu lassen.“ Ja, vielleicht hatte sie recht. Ich war noch nicht bereit. Wir schrieben wieder täglich. Ich sagte er müsse zu mir kommen, um Verletzungen gut zu machen. Aber unter keinen Umständen würde er zurück kommen, entgegnete er, ohne konkrete Günde zu nennen. Ich könne hingegen nach Schweden ziehen. Er würde eine Wohnung für uns einrichten, arbeiten für den Unterhalt oder mir sogar ein Haus bauen. Kinder wolle er mit mir und eine Zukunft. „Aber Du hast mich in einem fremden Land alleine stehen lassen, mich in der Beziehung ständig im Stich gelassen und nun soll ICH zu DIR ziehen und Dir ohne Weiteres wieder vertrauen?? Nein, das kann ich nicht!“ Die Gespräche liefen oft ins Leere.
Und wieder war ein Flugticket in meiner Post, nur für den Hinflug.

So schwer habe ich mir eine Entscheidung noch nie gemacht, aber ich flog. Was soll ich sagen? Ich liebte ihn und es tat gut bei ihm zu sein trotz allem. Doch ich merkte auch, dass zu viel in mir zerbrochen war. Es lag Bedrückung auf dem Besuch. Wir redeten so offen und ruhig wie noch nie. Wieder kamen dabei Wahrheiten seiner grenzenlosen Lügen an das Tageslicht und ich war wieder einmal verletzt.
Ich begleitete ihn zu seiner Skateboard-Videopremiere, weswegen er mich auch genau zu diesem Datum einfliegen ließ. Nun saß ich wie selbstverständlich an einem Tisch mit seiner Familie, die ich an Weihnachten nicht treffen sollte. Manch einer von seinen Freunden sagte mir leise, sie seien froh mich zurück an seiner Seite zu sehen, nur mit mir würde er so strahlen. Einer eröffnete mir sogar, er wüsste ganz genau, ich hätte ein schweres Schicksal mit ihm und sei froh, dass ich wieder da bin. Ich wunderte mich, dass sich nicht alle von seiner Inszenierung blenden ließen. Sie drückten mich voller Liebe und manche mit Mitgefühl im Blick. Er behielt den Arm um meine Schultern während des gesamten Abends, so als würde ich sonst weg treiben. Doch dieser plötzliche Trouble in so harten, ungewissen Zeiten war schwer zu ertragen. Den nächsten Tag bat ich ihn um ein Rückflugticket. Ich ging mit einem zentnerschweren Herzen, aber ich brauchte Zeit.

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Die folgenden Tage und Wochen gestalteten sich wieder unglaublich schwer. Er erzählte mir einmal vor langer Zeit, dass er Partnerinnen, wenn er sie nicht mehr will, lieber vergrault, statt die Beziehung selber zu beenden. Er verhielt sich dann so unausstehlich, bis sie gingen. Damit schien sich sein aktuelles Verhalten auch zu erklären, aber halt auch nur eines seiner 2 Gesichter. Er bat mich um meine Hand, um mich den nächsten Tag wieder emotional zu verletzen und von sich wegzustoßen. Immer und immer wieder fragte er mich, ob es noch Sinn macht. Sagte, dass er sich nicht sicher ist mit mir. Immer wieder holte er mich nah an sich ran, um mich dann weg zu stoßen, in immer kürzer werdenden Abständen zwischen den Wiederholungen. War es auch nur eine kurze Zeit harmonisch, provozierte er mich wieder bis zu Grenzen des Ertragbaren.

Und langsam machte es in meinem verblendeten Kopf klick. Mitleid und Misstrauen wollen doch abgewogen sein. Ich wurde nun misstrauisch ihm gegenüber. Traute keinem vorrübergehenden Frieden und stritt nicht mehr mit ihm, wenn er wieder fies wurde oder verletzende Dinge tat. Ich stumpfte ab, wurde kühler und gleichgültiger, denn ich war seine Spielchen unendlich leid. Ich wollte ihm schlichtweg nicht  mehr so ausgeliefert sein, nicht mehr derart verblendet und begann mich zu belesen über seine Krankheit. Ich nahm mir vor mich zu lösen, diesmal Diejenige zu sein die geht, sobald ich bereit dazu war.

Und der Tag war schneller gekommen als gedacht. Während eines Chats startete er wieder zu provozieren. Genau in diesem Moment, in dem er anfing mit seinen verbalen Angriffen, musste er seinen LKW ausladen und sagte, er würde in Kürze wieder schreiben. Ich wartete 5 Minuten, bis er definitiv von dem Handy weg war, atmete tief durch und nutzte die Chance mich zu verabschieden – für immer. In der Nachricht bat ich ihn mich fortan in Ruhe zu lassen und teilte ihm mit, ich könne das Alles einfach nicht mehr ertragen. Nach dem Absenden der Nachricht blockierte ich ihn überall, löschte seine Nummer. Das war´s. Ich hatte den Schritt getan und das alleine, aus eigener Kraft.

“After a while you learn the difference between holding a hand and falling in love. You begin to learn that kisses don’t always mean something. Promises can be broken just as quickly as they are made and goodbyes really are forever.”

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Ich denke es war wichtig in meiner Situation, selbstbestimmt einen Schlussstrich zu ziehen. Ja, ich mache mir Vorwürfe bis zum heutigen Tag und ich vermisse ihn in manch ruhigen Momenten. Manche kleine und auch große Dinge erinnern mich schmerzlich an die guten gemeinsamen Zeiten. So kann ich nicht mehr skaten seit er weg ist. Gerade die ersten Monate nach der Trennung bin ich ständig nachts aufgewacht und habe ihn verzweifelt neben mir gesucht, um mich festzuhalten in meiner Angst. Wenn ich ihn dann nicht fand, brach ich in Tränen aus.

Bis heute arbeite ich das Geschehene auf und versuche eine gesunde Distanz zu bekommen, aber es ist nicht leicht. Nun ja, nichts ist wirklich leicht seit dem er weg ist. Jeder Mensch hat seine Geschichte und das hier ist die meine. Und obwohl es mich zerstörte, bereue ich nicht ihm begegnet zu sein. Ich habe geliebt. “Vielleicht gibt es schönere Zeiten; aber diese ist die unsere.” (Jean-Paul Sartre) Niemand vermag mir die schönen Erinnerungen dieser tragischen Liebesgeschichte zu nehmen. Ich trage sie in meinem Herzen, so wie all die schweren Zeiten in meinen Augen.

Was Schweden betrifft, möchte ich das wunderschöne Land definitiv wieder besuchen und dort einen möglichst angstfreien Aufenthalt genießen, so wie in meinem Bucketlist-Post angekündigt im Punkt 53 und 54.
Auch die auf der Tour besuchten Städte, die ich mit so vielen schmerzlichen Erlebnissen verbinde, möchte ich mir zurück erkämpfen. Ich will mir auf diese Art selbst neue positive Erinnerungen schaffen. Daher plane ich die gesamte Strecke erneut abzufahren. Es ist Punkt 7 meiner Bucketlist – Mit einem (VW-)Bus die südeuropäischen Küsten lang fahren. Ich träume davon dieses Mal völlig selbstbestimmt mit meinem eigenen Bus zu fahren, viele nette Menschen zu treffen, gut essen zu gehen, Sehenswürdigkeiten zu besuchen, am Stand zu sitzen sooft es mir beliebt und in Barcelona wieder bis zum Sonnenuntergang zu skaten. Und naja, ihr wisst schon – Muscheln. 😉
Schlussendlich plane ich dieses Mal auch die gesamte Tour bis zum Ende zu fahren, denn nach Italien konnte ich ja damals nicht mehr mit. Dabei liebe ich dieses Land unheimlich, gerade wegen Rom und Pompeji.

Unabhängig was alles in der Vergangenheit liegt, ist und bleibt dieser besondere Mann für immer ein
Teil von mir und meiner Geschichte. So möchte ich es mir nicht nehmen lassen, danke zu sagen für all die schönen Zeiten. Ich hoff inständig es geht dir gut.

We are all broken—that’s how the light gets in.
― Ernest Hemingway

In Teil 4 wird abschließend betrachtet, was meine Handlungsmöglichkeiten gewesen wären. Was charakterisiert diese Krankheit? Wie ist es mir seither ergangen? Was waren die weiterführenden Konsequenzen dieser Romanze? u.v.m.

Lest also wieder rein! Danke an alle Unterstützer und Leser <3

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22 Kommentare auf "The cold swedish winter – an ending lovestory (3)"

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