Allgemein, Für den Kopf

Von der Tötungsstation zum neuen Heim

“Natürlich kann man ohne Hunde leben – es lohnt sich nur nicht.”

– Heinz Rühmann

Lucy

Streunende Hunde gibt es in Deutschland kaum. In anderen europäischen Ländern sind die herrenlosen Tiere jedoch ein großes Thema. Dort werden sie eingefangen, fristen ihr Leben elend in Heimen oder werden bestialisch getötet. So auch in Rumänien.

Ja, in Rumänien gibt es sehr viele Streuner: Insgesamt sechs Millionen, allein in Bukarest bis zu 60.000. – Hunde die ihren Besitzern nicht mehr ins Leben passen, daher ausgesetzt werden und auch Welpen aus unerwünschten Würfen, die bald nach der Geburt auf der Straße zurück gelassen werden. Viele überleben diese schrecklichen, ungewohnten Bedingungen nicht, werden überfahren oder vergiftet, sie verhungern oder werden misshandelt, da sie  so ziemlich als rechtlos gelten. Diejenigen die es schaffen, vermehren sich unkontrolliert weiter.

Angesichts der horrenden Zahlen wird der Hund schnell zum nationalen Imageproblem, zum Politikum, da diese Hundemeuten kein „passender Anblick für ein EU-Land“ sind. So befinden die Staatsoberhäupter: Es muss eingegriffen werden und das mit „starker Hand“. Als Folge kommt es immer wieder zu großen Tötungsaktionen auf grausamste Weise: Die Hunde werden vergiftet, erschlagen, vergast, erschossen, erhängt. Die Letzte rollte 2013 in Rumänien an, nachdem zwei Brüder beim Spielen angeblich von einer Gruppe Straßenhunde angegriffen worden sein, einer von ihnen starb. Zu spät stellte sich heraus, dass sie auf ein Firmengelände mit scharfen Wachhunden geraten waren – die in der Nähe lebenden Streuner hatten damit überhaupt nichts zu tun. Doch die Tötungswelle rollte schon.

Die Tierschutzorganisation PETA schätzt, dass in acht Monaten 16.000 Straßenhunde getötet wurden. Dann modifizierte die Regierung, wohl aufgrund vieler internationaler Proteste, das Gesetz.

Seit Juni 2014 ist nun das Töten der Hunde wieder verboten. Dennoch gibt es für das Einfangen von Straßenhunden eine Prämie von 50 Euro pro Hund – bei einem durchschnittlichen Gehalt von 400 Euro in Rumänien ist das ein attraktiver Verdienst. Doch was passiert dann mit ihnen?

Lucy

2014 hat der gemeinnützige Verein Vier Pfoten 43 der derzeit 81 registrierten staatlichen Tierheime besucht. Das traurige Ergebnis: „Keines von ihnen entsprach dem Gesetz“. Die armen Tiere liegen tot in Müllsäcken, haben offene Wunden oder sitzen in ihrem eigenen Kot. Überfüllte Zwinger; blutende, kranke Hunde; kein Wasser; Futter, das mit Müll, Urin und Exkrementen gemischt auf dem Boden der Hundezwinger liegt. Ein Video der Tierschutzorganisation zeigt Hunde, die in unsäglichen Bedingungen in den rumänischen Tierheimen leben. Sie berichten: In drei Heimen hätten sogar tote Hunde zwischen noch lebenden Tieren gelegen. Diese “Hundefängermafia” organisiert sich mit als Tierheimen getarnten Hundebeseitigungsanlagen.

Und dann gibt es auch noch den sogenannten “Hundetourismus”: In einer Stadt fängt man und kassiert, in der anderen Stadt lässt man einen Teil wieder laufen und kassiert ein zweites Mal für das erneute Einfangen der armen Kreaturen. So tauchen oft in Städten, wo man glaubte das Problem der Hunde im Griff zu haben, verunsicherte Hunderudel spontan neu auf. Und das alles nur um die Daseins- berechtigung der Hundefänger zu beweisen.

Obendrauf kommt noch, dass sich zahme Hunde leichter einfangen lassen und die Tierfänger so oft Hunde aus privaten Haushalten stehlen, um skrupellos Geld zu machen. Wenn man Glück hat, kann man seinen eigenen Hund, wenn er denn diese Einfangaktion überlebt hat und man ihn findet, gegen viel Geld auslösen – das ist modernes Raubrittertum.

Das Töten der Tiere findet weiterhin illegal statt, trotz der Gesetzesänderung, wenn sie nicht ohne Einwirken grausam verenden in den überfüllten Heimen.

Und Rumänien ist dabei kein Einzelfall. In vielen Ländern Süd- und Osteuropas werden streunende Hunde eingesammelt, in überfüllte Tierheime gesteckt oder gar getötet. Auch in Ungarn gibt es Tötungsstationen, sogenannte „Abdeckereien“.

Lucy

Diesem ganzen Elend zu Trotz, beziehungsweise gerade wegen dem Elend, entwickelten sich in Rumänien und anderorts Organisationen, die bereit sind viel Zeit und Arbeit zu investieren um diesen armen Geschöpfen zu helfen, mit Hilfe von ortsansässigen Tierschützern.

Diese Tierschutzvereine stören das Geschäft der Hundemafia, weil man durch ihre moralische Arbeit nicht in Ruhe dem Geschäft Hundemord nachgehen und richtig verdienen kann. Deshalb legt man ihnen Steine in den Weg. Man hat den Eindruck, dass Rumänien sein Streunerhundproblem hinter hohen Mauern ohne Öffentlichkeit und störende Tierfreunde lösen will. Also mischen auch die Vertreter von Politik und Recht  beim Boykott der Hilfsaktionen mit. Es schreit förmlich nach Korruption, was da telweise passiert. Als Folge nimmt man den Tierschützern Betreuungsverträge für städtische Tierheime weg, hält sie mit Versprechungen hin, zündet Ställe an, schneidet Zwinger auf, erschießt oder vergiftet die Hunde und erschwert die Ausfuhr nach Deutschland (zur Zeit in vielen Gegenden die einzige Überlebenschance für einen Hund).

Lucy

Ich hatte mich entschieden auch meinen Teil beizutragen und einen Hund aus diesen Ländern zu adoptieren, sobald ich hier in der neuen Wohnung richtig angekommen bin, anstatt einen zu kaufen bei Züchtern. An Weihnachten eröffnete ich beim Dinner meine Idee meinen Freunden und einem Teil meiner Familie. Die meisten reagierten skeptisch: „Hole dir doch lieber einen Welpen von einem Züchter. Den kannst du vernünftig erziehen von klein auf an und er wäre nicht so verstört wie es die Strassenhunde sind!“

Ich entgegnete: „Aber ich hab doch nun so viel Erfahrung mit Hunden, habe ein gutes Gefühl für sie und bin geduldig und liebevoll. Wer sonst, als Jemand wie ich, sollte sich denn solch einem Hund annehmen? Zudem habe ich auch grad noch genug Zeit für die anfängliche, sicherlich aufwendigere Pflege.“

Sie nickten zustimmend aber blickten besorgt.

Lucy
Lucy
Lucy

Nun, Monate nach dem Weihnachtsdinner, sitze ich hier an meinem Sekretär und schreibe. Die kleine Lucy liegt hinter mir auf dem Sofa und ruht.
Einige meiner Instagram– und Facebook-Follower fragten mich, ob ich über meine Erfahrungen des Adoptionsprozesses berichten könnte. Dem komme ich gerne nach. Darum soll es in diesem Blogbeitrag gehen. Also kommt mit mir auf meine Reise zu meinem adoptierten Hundekind…

Ja, letzte Nacht war es soweit: Wir machten uns auf dem Weg in Lucys neues Leben – in UNSER neues, gemeinsames Leben. Zuvor hatte ich mich ausführlich belesen und über Wochen auf der Seite von Animal Souls e.V. (dem Verein für den ich mich entschieden habe) nach einem passenden Seelchen geguckt. Ein kleiner Fratz sollte es sein, ca. 1-3 Jahre alt und schwarz, da eine enge Freundin mir berichtete, dass diese oft zurück blieben in Heimen, weil sie angeblich „böse aussehen“ durch ihre dunkle Farbgebung.

Und dann entdeckte ich Stella – ein kleines Mädchen, die mit ihrer Tochter Bella aufgefunden wurde. Sie waren stark an Räude erkrankt und sahen jämmerlich aus. Nachdem sie in die Klinik gebracht wurden, konnten sie behandelt werden. Der Tierarzt war entsetzt und meinte er hätte nie so ein fortgeschittenes Stadium der Krankheit erlebt. Beide wurden behandelt, sterilisiert und geimpft.

Die Photos von einigen Wochen später zeigen wie sich die Mama und ihr Baby immernoch nach und nach erholten und die Strapazen der Krankheit hinter sich liessen. Die Haare waren kurzgeschoren zu Behandlungszwecken. Naja, angeschlagen sahen sie zwar noch aus, aber doch liebenswert – alle beide.

Lucy
Lucy

Ich rief aufgeregt meine Mum an und erzählte von den beiden. Sie sagte:

Los, trau dich! Schreib dem Verein und frage an.“

Lucy

“Der Hund ist ein Ehrenmann;
ich hoffe, einst in seinen Himmel zu kommen,
nicht in den der Menschen.”

 – Mark Twain

Die Anfrage

Ich atmete tief durch und wagte es. Leider hatte die ca. 1-2-jährige Stella kurz zuvor eine Anfrage bekommen und auch ihr Kind Bella hatte bereits eine. Ich schniefte enttäuscht aus. Aber der Verein riet mir an, trotzdem die Pflegestelle zu kontaktieren. Dort erfuhr ich, dass sich die andere Interessentin aktuell wohl nicht mehr meldet und dass ich eventuell Glück haben könnte. Ein paar Tage wolle sie der anderen Frau noch geben, schließlich war sie die Erste, die sich meldete. Sie würde mir Bescheid geben.

Die Vorkontrolle

Ja, was soll ich sagen?! – Ich hatte Glück! Bella war erst sieben Monate alt und somit eigentlich zu jung für meine Vorstellungen. Denn ich dachte, Welpen würden noch eher ein Zuhause finden, daher suchte ich nach einem jungen aber erwachsenen Hund. Aber was solls! Ich hatte ein gutes Gefühl bei ihr. Sie sah frech aus, aber hatte auch viel von der Wärme ihrer Mutter in den kecken Augen. Nachdem ich ernsthaftes Interesse bekundet hatte, suchte man eine sogenannte „Vorkontrolle“ für mich. Denn entgegen dem Shopping von Lebewesen auf Ebay und Co., werden potenzielle Hundehalter hier zunächst Zuhause besucht und abgecheckt, ob die Person an sich, deren Lebensumstände und die Wohnung sich überhaupt für eine Unterbringung eignen.

Lucy

Es wird nach bisheriger Erfahrung gefragt, nach der familiären Zustimmung und der finanziellen Sicherheit, das Tier versorgen zu können, nach Allergien und der Vorgeschichte Tierhaltung betreffend. Zudem wird sensibilisiert für die speziellen Ansprüche der eventuell traumatisierten Hunde.
Dieses System finde ich äußerst positiv. Viel, viel weniger Tiere würden in Tierheimen landen, wenn überall mit der Vergabe von lebendigen Wesen verantwortungsvoller umgegangen werden würde.

Meine Kontrolleurin war sehr nett und freundlich, allerdings auch etwas unsicher. Sie hatte selbst nicht sonderlich viel Erfahrung mit Hunden, aber ihre Kontrolle sagte ihr damals, ein Gefühl für Menschen wäre wichtiger und ausschlaggebender Faktor für diese Aufgabe. Somit nahm sie sich der Tätigkeit an und hilft so nun unentgeltlich bei der Vermittlung der Tiere in schöne Zuhause. Auch ich werde mir diese Methode selbst tätig zu werden demnächst näher Angucken und mich eventuell eintragen Lassen als Vorkontrolleurin für meine Gegend. Es werden immer welche gesucht, sagte sie mir.

Das Organisatorische – Schutzgebühr und Schutzvertrag

Wie ihr euch also bereits vorstellen konntet, lief die Kontrolle gut und auch meine schriftliche Selbstauskunft über vier Seiten war in Ordnung. Nun musste ich noch die 285 Euro Schutzgebühr überweisen und einen Schutzvertrag unterschreiben und konnte mich anschließend auf den Weg machen. (In der Gebühr enthalten: Impfungen, Entwurmungen, Chip, EU-Pass und der Transport. Wenn die Hunde alt genug sind, werden sie auch vorher kastriert/sterilisiert, so wie auch meine.)

Lucy

Die Pflegestelle

Der Kontakt mit Jana von Bellas Pflegestelle lief sehr gut und herzlich ab. Manchmal kommen die Tiere vor dem Vermitteln bei solch einer Zwischenunterkunft in Deutschland unter, bis sich ein fester neuer Halter findet. In meinem Fall war es so. Wir tauschten uns aus über die Vorlieben und Bedürfnisse der Kleinen. Und auch aktuelle Fotos schickte sie mir. Die Adoption wurde damit immer realer. Jana erzählte mir, sie selbst habe schon überlegt die Kleine zu behalten, da sie Zitat: „so ein tolles Tier“ sei. Aber NICHTS IS!! Nachdem nun alles Organisatorische mit ihr und dem Verein geklärt war, begann die weite Reise.

Lucy

Das Abholen

Eine gute Freundin hatte sich bei einem Kurzbesuch bei mir in Dresden bereit erklärt, die Fahrt mit mir anzutreten. Ich freute mich ungemein, denn so musste ich gar nicht erst anfangen groß rumzufragen. Und da ich auch schon mit ihr verreist war, wusste ich, dass es Spaß machen würde  diesen Roadtrip mit ihr zu machen.

Mein Weg begann mit einem Flixbus nach Berlin, denn meine Fahrerin wollte von dort aus starten. Eine anstrengende Aufgabe für mich mit Panik alleine zum Bahnhof und in den Bus. Aber auch ein Kraftakt, den ich hierfür gerne in Kauf nahm. Ich wollte meiner Freundin auch entgegen kommen bei dem großen Gefallen, den sie mir da anbot. Also kam ich in der Großstadt an, kaufte ein paar letzte Sachen für Bella und schlief eine Nacht bei meiner Bekannten, damit wir uns gleich früh auf den Weg machen konnten, denn unsere Reise zu der Kleinen sollte uns bis hinter Heidelberg führen – eine Strecke über 6h!

Bevor es jedoch los gehen sollte, deckten wir uns mit ausreichend Proviant ein. Ein Bekannter meiner Fahrerin kam noch spontan in Richtung seiner Heimat mit. Wir sackten ihn ein und los ging die wilde Tour!

Lucy
Lucy

Wir schlürften unseren Kaffee – Ok, bei mir war es Kakao – und sangen bei meiner Oldschool-Hiphop-Liste albern mit. Diese Aufmunterung brauchten wir auch, denn sie hatte unruhig geschlafen, da sie im Moment enormen privaten Stress ausgesetzt ist und ich war schlichtweg zu aufgeregt zum Schlafen. Aber wir unterhielten uns angeregt und lachten viel.

Lucy

Unterwegs trauten wir unseren Augen kaum: Schnee!? In Berlin liefen die Menschen die ersten Tage des Frühlings schon mit Longsleaves oder sogar T-Shirts herum und hier lag Schnee?? Unfassbar. Nach einigen Stunden kamen wir am Elternhaus unseres Mitfahrers an und legten bei der Gelegenheit gleich eine kurze Essenspause ein. Meine Freundin lachte herzlich über seine Kinderfotos überall, denn so hatte sie ihren engen Freund noch nicht sehen können.

Lucy
Lucy
Lucy
Lucy
Lucy

Nach einer kurzen Schmuseeinlage mit dem scheuen, alten Nachbarshund ging es weiter zum Endspurt.

Lucy
Lucy
Lucy
Lucy
Lucy

Und da war er gekommen – der Moment der ersten Begegnung.

Auf einmal stand sie vor mir!

Lucy
Lucy

Groß war sie geworden, sah ihrer Mutter unheimlich ähnlich und war so unfassbar ängstlich. Kam ich auf sie zu, duckte sie sich und begann zu zittern. Das hatte ich nicht erwartet! Auf den Bildern sah sie immer so keck und draufgängerisch aus. Aber was solls! – Ich hatte keine speziellen Vorstellungen oder Wünsche das Wesen meines Adoptivkindes betreffend. Also nahm ich sie so an, wie sie halt ist und ging erstmal auf gebührenden Abstand, um sie nicht zu überfordern.

Wir gingen eine kurze Gassirunde zusammen, um noch kurz zu reden. Ab der Mitte unserer Strecke übernahm ich unauffällig die Leine der Kleinen.

Lucy
Lucy

Die Leinenübergabe war kein Problem. Doch sie spürte wohl, dass etwas passierte und bekam Magengrummeln und Durchfall auf dem Rückweg zu unserem Auto, welches vor dem Haus der Pflegestelle stand. Um den Abschied nicht unnötig stressig zu machen, lies ich sie schnell ins Auto springen und wir starteten unverzüglich.

Das Pärchen, dass sie die letzten paar Wochen gepflegt hatte, winkte uns noch zu. Da saß sie nun… bei mir.

Lucy
Lucy
Lucy

Nach wenigen Minuten sagte meine Freundin: „Jetzt hast du einen Hundi!“ und lächelte mich an. Da wurde es plötzlich real für mich und mir kamen die Tränen. Zuvor war ich so auf die Kleine konzentriert, sie gemütlich im Auto unter zu bringen und darauf, für sie möglichst stressfrei los zu kommen. Nun guckte ich sie an, versuchte zu verstehen, dass sie jetzt zu mir gehört. Ich schluchzte ich vor mir her, die Tränen liefen mir die Wangen hinunter.

Aber das sind jetzt Freudentränen, ne?! Du freust dich oder?“

Es war Stressabfall nach der Anspannung des Tages und des ganzen aufregenden Adoptionsablaufes, aber besonders auch  einfach die pure Freude über mein Hundekind. Ab jetzt sollte sie Lucy heißen und ein wichtiger Teil meines Lebens sein.

Lucy
Lucy

Sie war so dermaßen ängstlich. Es war regelrecht herzzerreißend! Hundekenner wissen, ein extrem gestresster Hund bekommt Herzrasen und hechelt, neben dem starken Zittern. Augenringe zeichneten sich ab. Ich wollte einfach nur so schnell es ging mit ihr nach Hause, damit sie zur Ruhe und ankommen kann. Zeitweise hatte ich Panik, ihr Herz würde sich überschlagen vor Angst.

Doch da ahnte ich noch nicht mal ansatzweise, was noch für Anstrengungen auf sie und mich zukommen würden.

Lucy

Denn undeutliche Absprachen führten zu einem Missverständnis, infolgedessen meine Fahrerin sich weigerte uns bis nach Hause zu fahren. Sie stellte mich vor die Wahl entweder mit zurück nach Berlin – ihr Wohnort, zu fahren oder mich irgendwo unterwegs auf dem Weg dorthin abzusetzen. Bereits einen Tag vor der Abfahrt erkannte sie, dass wir unterschiedliche Vorstellungen der Fahrt hatten. Wir konnten uns nun nicht so Recht einigen, wie wir verfahren. Meist verschob sie das Gespräch auf später. Ich war ratlos und hoffte einfach auf das Beste.

Ich hätte aber tatsächlich niemals gedacht, dass sie uns beide wirklich nicht bis nach Hause fahren würde. Die Kleine zitterte ja hier im sicheren Auto schon wie Espenlaub vor Angst. – Die neue, überfordernde Situation, umgeben von Fremden, setzten ihr stark zu. Und sie jetzt also auch noch zusätzlich aus dem Auto zerren, mit ihr in einen überfüllten Bahnhof und in einen Zug, danach Straßenbahn fahren und den Rest laufen mit Sack und Pack?! Auch ich, ihre einzige Bezugsperson, mache mich mit meiner Panikstörung nicht zu gut alleine unterwegs und besonders, wenn ich mir einen anderen, möglichst sicheren Plan im Kopf zu Recht gelegt hatte, welcher nun vor mir zerbröselte.

Denn nach ein paar Minuten Fahrt eröffnete sie mir, sie hätte während ich gerade Lucy kennenlernte, einen Zug von Leipzig nach Dresden raus gesucht und würde uns an diesem Bahnhof absetzen. „Die eine Stunde Fahrt mit dem Zug sollte ja kein Problem sein.“

Mir fehlten schlichtweg die Worte. Ich war enttäuscht und sauer, machte mir aber besonders Sorgen um den Stresspegel und die damit verbundene Belastung der kleinen Lucy. Meine Fahrerin argumentierte mit Geld- und Zeiteinsparungen für mich, aber mir war das unkomplizierte Ankommen wichtiger in dieser speziellen Situation. Schließlich würde uns der Zug nicht bis nach Hause bringen und wie wir dann mitten in der Nacht noch weiter kommen würden, war ungewiss.

Aber eine Wahl blieb mir nicht und so brachte meine Fahrerin uns wenigstens noch in den Zug und lieh mir das Geld für das Ticket, denn ich hatte in meinem überschwappenden Überforderung plötzlich auch noch die Pin-Nummer meiner EC-Karte vergessen. Unterwegs im Bahnhof begann Lucy wieder mit dem Stresshecheln und Zittern. Erst nach einiger Zeit auf ihrer kleinen Decke im Zug begann sie sich langsam zu beruhigen.

Lucy

Doch damit sollte die Odyssee für uns noch lange nicht enden! Eine Durchsage eröffnete uns nach wenigen Minuten der Ruhe, dass heute kein Zug mehr fahren würde. Ein Selbstmord im nächsten Bahnhof legte die Strecke lahm. Es war der letzte Zug des Tages in unsere Richtung.

Lucy

Mir kamen die Tränen. Es war bereits nach 23 Uhr und ich war sein um 7 unterwegs, ohne geschlafen oder während der Fahrt geruht zu haben. Ich wollte wach bleiben, der Fahrerin zuliebe, während der anstrengenden, weiten Fahrt. Die Zugbegleiterin sagte durch, dass ein Ersatzbus sehr bald abfahren würde. Nette Menschen aus dem Zug – ein junges, alternatives Pärchen und ein älterer Herr, nahmen mich auf mein Bitten hin mit zum Bussteg. Doch auf dem Weg wurde der kleinen Maus die erneute Stresssituation der losstürmenden Menschen und das überstürzte Rausholen aus dem Zug zu viel und sie bekam Durchfall beim Durchlaufen des Bahnhofsgebäudes. Außergewöhnliche Belastungen gehen bei Hunden oft auf den Magen. Damit muss man also rechnen die erste Zeit. Ich putze weg was ging, während jemand anderes das überforderte Mäuschen hielt.

Das arme Ding! Ich war wirklich verzweifelt, aber es blieb mir ja nichts anderes über, als nun durchzuziehen und irgendwie mit ihr nach Hause zu kommen.

Lucy

Der freundliche ältere Mann besorgte mir netterweise einen Platz im Bus und so nahm ich sie auf den Schoß. Denn einen gesamten Zug voller Menschen in einen einzelnen Bus gequetscht – das war drängen und drücken und ein kleiner sensibler Winzling dazwischen. Sie hatte ja auch Angst vor mir und von mir angefasst zu werden, aber diese Belastung für sie nahm ich jetzt in Kauf, damit sie nicht noch getreten und eventuell auch noch verletzt wird hier in diesem Horrorszenario. Es war mittlerweile kein Zittern mehr, sondern ein regelrechtes Schütteln und ich fragte mich, wie lange ihr kleines Herz das wohl alles aushalten würde. Ich wickelte sie in die Decke ein und sie beruhigte sich ein klein wenig.

Die Fahrt war der absolute Wahnsinn. Der Busfahrer wusste nicht wo lang, verfuhr sich und fragte sogar unterwegs mit runtergelassener Fensterscheibe einen Taxifahrer, wo er am besten lang fährt. Ab und zu setzte er zum Rückwärtsgang an, wenn er in die falsche Richtung abbog. 1-2Mal rief sogar ein Fahrgast nach vorne wo er lang fahren sollte. Und er bremste mehrfach ruppig, sodass man fast umfiel.

Eine junge Frau fragte mich: „Hast du denn keine Angst, dass sie dir jetzt auf den Schoß machen könnte?!“ „Ist mir jetzt echt egal!“, entgegnete ich. Sie nickte verständnisvoll. Ein Mann kam zwischendurch nach vorne und erkundigte sich nach dem Wohlbefinden des kleinen Hundes. Wirklich nette Menschen hier im Bus, muss man sagen! Doch die Zeit hier wollte trotzdem kaum vergehen.

Lucy

Nun dann also noch einmal von dem Bus aus in einen Anschlusszug und selbstredend in Dresden Neustadt, mitten in der Nacht, keine Bahn mehr für uns! Wie sollte es auch sonst laufen, ne?!

Wir liefen die restliche Strecke, ca. eine halbe Stunde Fußmarsch. Sie panisch am geduckt hin und her laufen vor meinen Beinen – ich einfach nur noch nervlich am Ende. Ich redete mit ihr beim Laufen, was sie etwas beruhigte. Und so trabten wir fertig mit der Welt durch die dunkle, kalte Nacht nach Hause. Auf dem Weg versuchten ihr noch einige extrem betrunkene Idioten näher zu kommen, wobei sie ohne zusätzliche Sicherung vor Schreck auf die Straße ausgewichen wäre. Doch ich hatte sie zum Glück gesichert und so ging alles gut. Naja: So gut man das Alles hier nennen konnte!

Zuhause angekommen verkroch sie sich im Bad. Als ich sie mit Zureden bewegen wollte, mit mir ins Schlafzimmer zu kommen, bewegte sie sich zwar geduckt dorthin, urinierte mir aber vor Angst das gesamte Bett voll.

Lucy

Das war einfach zu viel! – Ich war so erschöpft, wollte nur noch liegen und nun war meine Matratze komplett vollgestrullert und ich musste nach diesem Horrortag auch noch schrubben. Ich bekam einen Nervenzusammenbruch und weinte bitterlich. Sie ging wieder zu ihrem Platz im Bad. Dieses Mal ließ ich sie dort und legte mich nach dem gescheiterten Reinigungsversuch erschöpft auf einen kleinen trockenen Teil der Matratze.

Solche Sachen passieren halt mit einem ängstlichen Hund und besonders mit Welpen und Junghunden. Ich war ihr auch nicht böse, einfach nur ausgelaugt von diesem Tag und der Odyssee nach Hause.

Lucy

Sie verblieb die erste Nacht im neuen Heim im Bad. Dort war zwar noch Chaos von meinem überstürzten Losfahren aber sie fühlte sich wohl. Erst früh um 10 Uhr kam sie um die Ecke gucken. Ich stand sofort auf, um mit ihr raus zu gehen.

Lucy

Und so begann mit diesem neu angebrochenen Tag unsere gemeinsame Reise der vielen ersten Male: Das erste Mal Wohnung erkunden, Gassi gehen, das erste Mal hier essen fassen, mit mir spielen und sich lansgam annähern.

Lucy
Lucy
Lucy

Jana, von der Pflegestelle, erzählte, dass der kleine Fratz erst nach zwei Wochenüberhaupt jemanden an sich ran ließ. Doch schon nach dem ersten gemeinsamen Spaziergang, noch vor dem Frühstück, legte sie sich zu mir aufs Sofa und suchte Nähe. – Sie legte ihre Pfote auf meine Hand und schmuste sich an ihren Teddy gleich neben mir. Ganz offensichtlich hatte sie bereits genug Vertrauen zu mir aufgebaut, dass sie friedlich einschlief.

Lucy
Lucy
Lucy

Braucht sie Abstand und Ruhe, gebe ich sie ihr. Benötigt sie Aufmerksamkeit, bekommt sie auch diese. Ich gebe ihr Raum und Zeit, lasse sie auf mich zukommen. Und es funktioniert. Schon die zweite Nacht im neuen Heim schlief sie mit im Bett, spielte und schmuste mit mir was das Zeug hielt.

Ich hoffe es wird sich weiterhin so gut mit uns entwickeln, denn sie zuckt immernoch bei jedem Geräusch zusammen und Befehle üben und Gassirunden überfordert sie schnell. Dann fängt sie wieder an zu zittern und verkriecht sich. Aber ich werde geduldig sein.

Lucy

Was für eine lange Reise das war! Aber ich bin froh sie angetreten zu haben und dankbar für den Großteil der Strecke, den meine Bekannte mit mir fuhr. Ein ganzen Tag opferte sie uns. Besonders dankbar bin ich aber meiner Mum für die Unterstützung bei allem und dem tollen Verein Animal Souls e.V. – Hunderettung Rumänien für die freundliche und unkomplzierte Abwicklung.

Klickt ihr > > HIER <<, kommt ihr zu Fotoalben der aktuell noch suchenden Hunde. Vielleicht ist ja auch ein Fellnäschen für euch dabei. Ich kann euch die Adoption nur empfehlen. Lucy ist großartig!

“Nur der, der einen Hund als Freund hat, weiß,
was es bedeutet, einen wahren Freund zu haben.”

– Stefan Wittlin

Lest bald wieder rein, um zu sehen, wie es mit uns weiter ging  !

(und wie man sonst noch helfen kann)

Vielen Dank
Melinda
Lucy
Quellen: www.zeit.de | Lisa Kleine – www.focus.de | www.salvate-canes.de | www.bmt-tierschutz.de | www.animal-souls.de

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34 Kommentare auf "Von der Tötungsstation zum neuen Heim"

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